Was darf Kamm-/Brettchenborte kosten ?

Ich habe imn verschiedenen Foren zu diesem Thema ettliche Threads gelesen, die mich sehr nachdenklich gemacht haben. Deswegen habe ich für diesen Beitrag ganz bewußt auch meinen Karl-Otto gewählt. Warum ? 
 
Ganz einfach: Wenn man das verlangen würde, was eine HANDGEWEBTE Borte wirklich wert ist, würde das kein Mensch mehr bezahlen können, und man würde bald genauso aussehen wie Karl-Otto. 
 
Die Gründe, warum das so ist, sind vielfältiger Natur, und teilweise verständlich oder unverständlich. Einige sind:
  • Handarbeit wird heutzutage kaum wert geschätzt. Die Leute wissen nicht, welcher Arbeitseinsatz dahinter steckt. Dabei ist es völlig egal, in welcher Technik gewebt worden ist.
  • Viele maschinengewebte, industriell hergestellte Borten, die aus Asien importiert werden, können für billiges Geld erworben werden und sehen ähnlich aus.
  • Viele Leute leben nach dem Slogan “Geiz ist geil.”. Wieso bei einem Händler oder einem Hobbyweber überhaupt was bezahlen, wenn die kleine Tochter von der Tante Liese doch das ganze für lau machen kann ?
  • Einige Leute können sich kaum noch etwas leisten, weil sie einfach zu wenig Einkommen haben (HartzIV, Mindestlohn oder was auch immer) und nicht wissen, wie sie das alltägliche Leben stemmen können.
Die Preisgestaltung erweist sich somit als wirklich schwer. Vor allem, wenn man als ordentlicher Händler auf der sicheren Seite sein möchte. Das bedeutet, dass man sein Gewerbe auch angemeldet hat und demzufolge auch Vater Staat gegenüber seine Verpflichtungen hat. Man möchte von seiner Hände Arbeit auch leben können, was eine vernünftige Kalkulation voraussetzt. Wer sich mit dem Gebiet der Kalkulation auseinandersetzt, der weiß, was ich meine. So gern man auch Waren für wirklich kleines Geld anbieten möchte ... Das funktioniert nur dann, wenn man Masse verkauft. Masse UND individuell angefertigte Borten (wohlbemerkt in reiner Handarbeit !) schliesst sich aus.
Auf der anderen Seite gibt es noch Darsteller, die kein Gewerbe betreiben, und den schnellen Euro machen möchten. Da wird günstige Wolle gekauft, diese verwebt und ein paar Borten in einen Korb gelegt. Damit geht man über den Markt und verkauft diese zum Schleuderpreis, aber nach Bauchgefühl. Davor muß man warnen, denn wenn man an einen verdeckten Testkäufer gerät, der zufällig beim Finanzamt oder dem Gewerbeaufsichtsamt gerät, dann knallt es richtig. Der Verstoß gegen die Preisauszeichnungspflicht und die Tatsache, dass kein Gewerbe angemeldet ist, ist dann das kleinste Problem. Wenn es um Steuerhinter-ziehung etc. geht, dann ist mit Pech eine richtig saftige Geldstrafe oder Freiheitsstrafe zu erwarten. Also wenn VERKAUFEN, dann bitte schön legal und FairPlay allen Händlern gegenüber bleiben.
 
Kommen wir nun zu der Frage, was man bei einer professionellen Kalkulation berücksichtigen muß ... Ein Händler hat Betriebskosten, die gedeckelt sein müssen. Dazu gehört unter anderem Miete, Mietnebenkosten (Müllgebühren, Heizung, Strom), Kosten für Telefon / Internet, Marketing, Versicherungen (Betriebshaftpflicht, Krankenkasse, ggf. Altersvorsorge, Brandschutz, etc.). Dann hat man zu berücksichtigen, dass bei Trödel-/Flohmärkten und auch historischen Events in der Regel noch Standgebühren anfallen, die nicht unerheblich sind. Hinkommen muß man auch, somit muß man die Benzinkosten berücksichtigen. Je nach Option hat man für einen eigenen, ansprechenden Verkaufsstand und passende Kleidung zu sorgen. Dies alles sieht der potentielle Kunde bei einer Borte nicht ! Der schaut sich das Preisschild an und wird dann rechnen und vermutlich entsetzt fragen, was man sich dabei eigentlich denkt !
 
Wenn ich mir alles durchrechne, und auch so Dinge wie Schweregrat, Brettchenanzahl und Webtechnik berücksichtige, dann ist mein Vorschlag folgender:
 
01. Kammgewebte Borten
  • 12,- / lfn Meter
    • Kammgewebte Borte in einfacher Technik
    • Kammgewebte Borte in 2:1 Technik mit einfachen Mustern (bis 5 Musterfäden)
  • 15,- / lfn Meter
    • Kammgewebte Borten in 2:1 Technik (bis zu 10 Musterfäden)
  • 20,- / lfn. Meter
    • Kammgewebte Borte in komplizierter Technik bzw. mit aufwendig gelesenen Mustern
02. Brettchengewebte Borten
  • 12,- bis 14,- / lfn. Meter
    • Einzugsmuster (Schnurbindungstechnik) bis 20 Webbrettchen
  • 15,- bis 16,- / lfn. Meter
    • Einzugsmuster (Schnurbindungstechnik) bis 30 Webbrettchen
    • Borten in Doubleface (zweifarbige Weben) mit einfachen Mustern
    • Borten in Sulawesi Technik mit einfachen Mustern
    • Borten in Zwei-Loch-Technik mit einfachen Mustern
  • 17,- bis 19,- / lfn. Meter
    • Einzugsmuster (Schnurbindungstechnik) bis 40 Webbrettchen
  • 20,- bis 24,- / lfn. Meter
    • Einzugsmuster (Schnurbindungstechnik) bis 50 Webbrettchen
    • Einzugsmuster (Schnurbindungstechnik) mit komplizierten, zeitaufwändigen Mustern
    • Doubleface (zweifarbige Weben) mit komplizierten Mustern
    • Borten in Sulawesi Technik mit komplizierten Mustern
    • Borten in Zwei-Loch-Technik mit komplizierten Mustern
    • Borte in Flottiertechnik (auch "Snartemo") mit einfachem (dreifarbigen) Muster
    • Borte in Köpertechnik (engl. 3/1 broken twill) mit einfachen Mustern
    • Borten in Broschiertechnik
    • Borten in Soumaktechnik
  • 25,- bis 50,- / lfn. Meter
    • Borte in Flottiertechnik (auch "Snartemo") mit komplizierten (vierfarbigen) Muster
    • Borte in Köpertechnik (engl. 3/1 broken twill) mit komplizierten Mustern
    • Borten mit komplizierten Mustern in zeitaufwändiger Broschiertechnik
    • Borten mit komplizierten Mustern in zeitaufwändiger Soumaktechnik
  • auf Anfrage
    • komplizierte Repliken nach Fundlage
Dies sind (Richt-)Preise, die sich aber dann am wirklich unterstem Rand befinden ! Wie eingangs erwähnt ist echte Handarbeit ohnehin im Grunde unbezahlbar. Es sei darauf hingewiesen, dass ich hierbei die Arbeitszeit nicht mit berücksichtigt habe. Außerdem bin ich davon ausgegangen, dass die Wolle nicht über 1,50 Euro pro 50g liegen darf, was heutzutage nur noch ein echtes Angebot ist.
 
Grundsätzlich sollten Leute, die das Gleiche Hobby betreiben, wieder näher zusammen rücken und sich darauf besinnen, dass es nicht ums Geldverdienen geht. Was spricht gegen das Tauschen ? Nicht jeder kann mit jedem Werkstoff umgehen. Ich könnte mir das sehr gut vorstellen, dass man die Borte für ein paar Gewänder webt und dafür beispielsweise ein Tisch und Sitzbänke oder Truhen gebaut bekommt. So ist für alle das Hobby Geschichte nicht nur bezahlbar sondern das was es sein soll: ERLEBBAR. Der Tauschhandel war früher Gang und Gebe. Er sollte allerdings FAIR bleiben.
 
Nicole Müller